Drei-Knubben-Kanne aus einem Brunnen in Velten

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Drei-Knubben-Kanne aus einem spätmittelalterlichen Brunnen in Velten, Landkreis Oberhavel, 14. Jh. u.Z.

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Neben vielen zusammenhanglosen Keramikscherben tauchten in einem verfüllten Brunnen die Fragmente von zwei Kannen auf, von denen die kleinere nahezu vollständig rekonstruiert werden konnte. Sie ist links abgebildet und wenn wir sie etwas drehen, um den Boden besser sehen zu können, verstehen wir sofort den Namen. Die 3 Knubben sitzen am Rand eines abgeflachten Kugelbodens und gewährleisten eine höhere Standsicherheit.
Gefunden wurden die Kannen 2019 in Velten, einer Kleinstadt im Nordwesten von Berlin, die im 12. Jh. als Angerdorf gegründet wurde. Für einen Neubau wurde ein Grundstück baubegleitend untersucht und parallel zum Dorfanger mehrere Brunnen entdeckt, die, bis auf einen, alle ins Spätmittelalter, oder - in Zahlen - vom 12. bis ins 16. Jh. datieren. Tatsächlich ist der Befund mit den Kannen kein echter Brunnen, sondern eher eine Schöpfstelle, die an drei Seiten mit Hölzern abgestützt und an der vierten bis zum Wasserspiegel begehbar war. Vermutlich wurden die Kannen zum Wasserschöpfen verwendet und gingen dabei zu Bruch.
Die kleine Kanne ist 20cm hoch, hat einen Randdurchmesser von ca. 10cm, einen größten Durchmesser von 17-18cm und ein Volumen von etwa 2 Liter. Im Vergleich dazu ist die zweite gefundene Kanne mit 30cm Höhe und 8-10 Liter Volumen nahezu riesig. Leider ist sie nicht vollständig, der gesamte Bereich um den Henkel fehlt. Es ist anzunehmen, daß das Gefäß extrem unhandlich war, weshalb für Kannen dieser Größe eine Verwendung als Vorratsgefäß vermutet wird. Eberhard Kirsch hat sich intensiv mit dem Bestand mittelalterlicher Keramik des Märkischen Museums beschäftig; nach seinen Ausführungen gehören unsere Kannen zum jüngeren Typ B der Drei-Knubben-Kannen. Ihr Kennzeichen ist der charakteristische Dornrand, ein einfacher gerader Rand mit einer umlaufenden Dornleiste. Er ersetzt im 14. Jh. die waagrechten, umlaufenden Spiralriefen im Halsbereich und die umgebogenen, rundlichen Ränder, die für einen Großteil der spätmittelalterlichen Keramik so typisch sind.

Die spätmittelalterliche Keramik in unserer Region wird heute als graue Irdenware oder harte Grauware bezeichnet, früher waren auch Begriffe wie Kugeltopfware, Bombentöpfe, oder auch Keramik des niedersächsischen Kreises üblich. Anders als in Westdeutschland, gibt es bei uns zwar zahllose Variationen in Härte, Färbung und Ausführung, aber keine nachvollziehbare Entwicklung dieser Keramik. Grund dafür ist die Immigration einer Landbevölkerung aus dem Westen in Folge der Annektierung der Slawengebiete durch Eroberer aus dem "heiligen römischen Reich". Die von den neuen Grundbesitzern angeworbenen KolonistInnen brachten ihre eigene Sachkultur, darunter die entwickelte Grauware und das Knowhow zur Herstellung mit. Innerhalb kurzer Zeit wurde diese Sachkultur von der slawischen Restbevölkerung übernommen.
Der Kugeltopf war vom 13. bis ins 16. Jh. hinein die häufigste Keramikform Norddeutschlands, wofür es vermutlich mehrere Gründe gibt. Die überall vorhandenen Tonvorkommen waren nicht für die Herstellung von Steinzeug geeignet, da bei Temperaturen über 900 Grad der Ton blasig wird und die Gefäße in sich zusammenfallen, lieferten aber bei Temperaturen von 800-900 Grad eine gute, harte Keramik. Üblich war ein reduzierender Brand durch Sauerstoffreduktion, der die graue oder blaugraue Färbung verursachte; es gibt Hinweise, dass dieses Design erwünscht war und nachgefragt wurde. Das Kochen und Warmhalten mit einem Kugeltopf scheint in der Holzkohleglut eines offenen Herdes sehr gut funktioniert zu haben, u.a. weil die Hitzespannung durch die runde Form weniger zerstörerisch war. Hergestellt wurde diese Form durch einen zweistufigen Prozess: zuerst wurde auf der Töpferscheibe der obere Teil mit Rand, Hals und Schulter geformt, dann der runde Boden mit der Hand von innen nach außen getrieben. Die Standfähigkeit des Kugeltopfes ist durch den tiefen Schwerpunkt recht gut, bei einer höheren und schlankeren Kanne wird der rundliche Boden zumindeste auf einer harten, geraden Fläche zum Problem. Doch aufgrund des Herstellungsprozesse war es nur noch ein kleiner Schritt, zusätzlich zum kugeligen Boden auch noch drei Standknubben mit den Fingern nach außen zu drücken.
Der merkwürdige, unvollständige Brunnen, den wir mangels besserer Ideen als Schöpfstelle bezeichnen, ist auch durch die ins 14. Jh. datierenden Krüge interessant. Ein Teil der Hölzer, mit denen die West-, Nord- unhd Ostseite abgesteift war, konnte dendrochronologisch untersucht und datiert werden. Sie waren überwiegend im Zeitraum um das Jahr 1180, also in der Gründungsphase des Dorfes geschlagen worden, das jüngste Holz stammt aus der Mitte des 13. Jh und wurde wohl nachtraglich zur Reparatur eingesetzt. Die Kannen können frühestens gegen Ende des 13. Jh. als Schöpfgefäße verwendet und dabei zerbrochen worden sein, was eine erstaunlich lange Nutzungszeit dieser Wasserstelle bedeutet.

Wenden wir uns noch einmal dem 3D-Objekt zu. Es gibt zwei Probleme, die bei der ersten Betrachtung nicht sofort auffallen. Wenn wir von oben in die Kanne blicken, sehen wir den Rand und ein Stück der Innenseite, die dann abbricht. Weiter unten ist nichts mehr zu sehen, weil die Rückseite einer Außenfläche vom Programm nicht dargestellt wird. Das zweite Problem sind die wenigen Scherben, die bei der Ausgrabung nicht zu finden waren. Die Leerstellen sind auf den Fotos als dunkler Innenraum zu sehen und werden vom Programm als schwarze Außenwand dargestellt. Beide Probleme lassen sich natürlich mit viel Aufwand, Zeit und Rechenleistung lösen; im Rahmen dieser Webseite ist das leider nicht möglich.


LITERATUR und QUELLEN

- Eberhard Kirsch, 1994, Die Keramik vom 13. bis zum Anfang des 16. Jh. in Berlin / Brandenburg
- Wikipedia zu Velten: https://de.wikipedia.org/wiki/Velten

Text, Fotos und 3D-Modell von Uli Bauer - März 2021, aktualisiert Oktober 2021

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