Zwei bronzezeitliche Holzpfosten aus einer Flussniederung am Rhin
Die beiden Holzpfosten wurden 2020 bei Rhinow im Landkreis Havelland aus einem weitgehend verlandeten Altarm des Rhins geborgen. Sie stammen von zwei etwa 130m auseinander liegenden Stellen, an denen jeweils mehrere Pfosten aufrecht im Sand steckten und auch einige lose Hölzer waagerecht im Schlick lagen. Die Annahme, es handele sich um die Reste von Brücken oder Stegen ist wohl gerechtfertigt, auch wenn keine Konstruktionen oder konstruktive Elemente erkennbar waren.
Grund der Bauarbeiten, die mit erheblichem Aufwand durchgeführt wurden, war die Umgehung eines Wehres und damit die Verbesserung der Ökobilanz dieses Flussabschnittes. Neben dem Wehr sollte eine Art Bypass u.a. für wandernde Fischarten entstehen und dafür wurde der weitgehend verlandete Altarm wieder an den Rhin angeschlossen.
Der Rhin ist ein kleines Flüsschen, das vom Rheinsberger See zur Havel fließt und Teil des komplexen Entwässerungssystems des Havellandes ist; dazu bei Wikipedia) mehr. Der letzte Teil des Rhinverlaufs zwischen Fehrbellin und der Havel ist zur Ableitung größerer Wassermengen während der letzten Jahrhunderte kanalisiert worden. Einen Momentaufnahme dieses Prozesses ist in der Schmettauschen Landesaufnahme festgehalten. Hier sind bereits etliche Begradigungen vorhanden, an anderen Stellen fließt der Rhin noch in Schleifen. Der Abschnitt, der nun als Renaturierungsmaßnahme wieder angeschlossen wurde ist zur Entstehungszeit des Kartenwerks, in der zweiten Hälfte des 18. Jh. noch intakt.
Da die Bodenarbeiten zum Teil erheblich waren und das Landesamt für Bodendenkmalpflege einige Uferbereiche als Verdachtsflächen ausgewiesen hatte, war eine archäologische Baubegleitung angeordnet worden. Und bereits bei den ersten Eingriffen im Dezember 2019 konnten Hölzer aus dem Torf geborgen werden, die aus der Bronzezeit stammten. Im Sommer 2020 begannen die Baggerarbeiten direkt im Altarm, was baggern unter Wasser und ohne Sicht bedeutete. Und doch konnten an günstigen Stellen einige freiligende Pfosten dokumentiert und geborgen werden. Leider waren die meisten Hölzer nicht sichtbar, sondern kamen erst in der Baggerschaufel liegend zum Vorschein. An zwei Stellen legen die gefundenen Hölzer, meist Pfosten, die Konstruktion eines Steges oder einer Brück nahe.
Unsere Objekte sind aus Eichenholz und sehr unterschiedlich gefertigt. Wenn wir die beiden Objekte so drehen, dass wir von oben auf die stumpfen Enden sehen können, zeigt sich ein runder und eine dreieckiger Querschnitt. Bei beiden können wir gut das dunklere Kern- und das hellere Splintholz - typisch für Eiche - unterscheiden. Der runde Pfosten ist aus einem dünnen Stamm gefertigt, der komplett verwendet wurde. Der dreieckige Pfosten dagegen stammt von einem deutlich dickeren Stamm, der in mehrere - vermutlich 6 oder 7 - dreieckige Hölzer gespaltet worden war; hier ist das Splintholz nur an einer der drei Seiten - der Außenseite - zu erkennen. Der runde Querschnitt hat eine Durchmesser von etwa 12cm, die längste Seite des Dreiecks liegt bei 15cm, beide Pfosten sind etwa 1,5m lang, das Spaltholz war bei der Bergung etwa 10cm länger als das Rundholz. Im Modell sind an beiden Posten an den einander zugewandten Seiten jeweils 2 weiße Punkte erkennbar; Reisszwecken, die die Länge 1 Meter markieren.
Auch die spitzen Enden unterscheiden sich. Der runde Stamm läuft unten in einer langen, im Querschnitt dreieckigen Spitze aus. An unserem Objekt ist das leider nicht gut zu sehen, da das Ende der Spitze im Boden blieb, als der Pfahl vom Bagger gezogen wurde, und nur die Bruchkanten sichtbar sind; bei anderen Exemplaren aus dem Befund blieb die Spitze erhalten und so ist die Annahme wohl zulässig, dass auch unser Pfosten so gearbeitet war. Der erkennbare Teil der drei Flächen war so gut gearbeitet, dass sie wie gesägt aussahen. Anders der Spaltpfosten; er wurde nach unten hin mit vielen kleinen Beilhieben abgerundet und zu einer recht gleichmäßigen, im Querschnitt runden Spitze zugearbeitet.
Erhaltene Hölzer sind für die Archäologie tolle Funde, da sie sich ohne übermäßigen Aufwand und mit geringen Kosten datieren lassen, wenn genügend Jahresringe erhalten sind. 50 Ringe bieten eine gute Aussicht auf Erfolg, optimal sind 100, 20 oder noch weniger nur selten datierbar. Mit etwas Glück kann bei der Analyse das Jahr der Baumfällung bestimmt werden. Genaueres zur Dendrochronologie lässt sich in den unten aufgrführten Quellen nachlesen.
Unser Spaltholz wurde im Jahr 1488 v.u.Z. gefällt. Die erkennbaren Ringe reichen bis ins Jahr 1549 zurück, die Eiche dürfte etwa 70 Jahre alt gewesen sein. Mit dieser Datierung befinden wir uns in einer Zeit weitgehender kultureller Umbrüche, für Archäologen am augenfälligsten durch das Auftauchen von Brandbestattungen, die langsam die Körpergrabsitte der Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit ablöste.
Elf Pfosten bilden diesen mittelbronzezeitlichen Befund. Wenn die Spitzen erhalten waren, waren sie rund zugearbeitet, wie oben beschrieben. Bei 6 Pfosten konnte die Position genau festgestellt werden, sie markieren eine ca. 10m lange schmale Fläche schräg über den Altarm. Die fünf restlichen Pfosten wurden entweder beim unter-wasser-baggern direkt aus dem Baggerlöffel geborgen oder später im Abraum dieser Stelle gefunden. Von 4 der exakt lokalisierten Pfosten gibt es Fälldaten, die bei 1517, 1489 und zweimal 1488v.u.Z. liegen. Ein verlagerter Pfosten ist auf ein Fälldatum um oder nach 1499 datiert. Die anderen Pfosten konten nicht datiert werden, weil sie entweder zu dünn oder zu unregelmäßg gewachsen waren, gehören aber recht sicher zum Befund.
Da die Textur der 3D-objekte links, also die Fotoschnipsel, die auf das Gittermodel aufgelegt werden, nicht gut genug für eine genaue Betrachtung der Schnittfläche des Holzes ist - u.a. weil das Objekt mit größeren Datenmengen sehr schwierig zu bewegen ist und oft ruckelt - gibt es hier nochmals die Schnittfläche in besserer Auflösung und, beim Anlicken, die Jahresringe stark vergrößert.

Von der 2. Stelle konnten 25 Hölzer dokumentiert und die meisten geborgen werden. Die Untersuchung von 13 ergab immerhin 9 Datierungen im Zeitraum von 1091 bis 1076 v.u.Z., 8 waren in den drei Jahren 1078 bis 1076 gefällt worden. Dieser Zeitraum gehört bereits in die Jungbronzezeit und passt gut zu einem Tüllenbeil aus Bronze, das in der Nähe gefunden wurde. Ein Teil der Hölzer konzentrierten sich an einer Stelle und konnten in der Originalage dokumentiert werden, andere wurden im Abraum dieser Stelle entdeckt oder isoliert in der Nähe aufgefuden. Sofern eine Spitze vorhanden war, zeigte sie die charakteristische dreieckige Form. Auch ein Pfosten etwa 100m abseits des Altarms hatte eine derartige Spitz und war im Jahr 1076 v.u.Z. gefällt worden; ein Indiz, dass nicht nur die Flussüberquerung, sondern auch ein Weg durch die sumpfige Niederung mit Hölzern befestigt gewesen sein könnte.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Dendrochronologie
https://www.uni-bamberg.de/iadk/denkmalwissenschaften/dendro/dendrochronologie-methode/
https://www.smb.museum/fileadmin/website/Institute/Rathgen-Forschungslabor/02_Forschung/03_Publikationen/BBA/Bd.07/07_BBA_Bd07_1982_GrundlagenderDendrochonologieundihreAnwendungfuerkunstgeschichtlicheFragestellungen_253-271.pdf

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