Ein slawenzeitliches Körpergrab in der Kyritzer Altstadt

Die archäologische Begleitung der Bauarbeiten im Sommer 2014.
In der Gemarkung Kyritz gibt es am Bantikower See ein, bereits 1929 von Matthes (Urgeschichte des Kreises Ostprignitz, S. 191) beschriebenes, slawisches Körpergräberfeld, auf einer Insel im See den dazugehörigen Burgwall. Aus Kyritz selbst waren bislang keine slawischen Funde bekannt.
Bei der Sanierung der Graf v. Schulenburgstraße mit einer Erneuerung der Regenentwässerung wurde in der Leitungstrasse ein Körpergrab freigelegt. Das Grab war, soweit erkennbar, ungestört, lediglich die Unterschenkel wurden bei den Bauarbeiten leicht verlagert, die Erhaltung der Knochen war recht gut. Trachbestandteile, Beigaben oder sonstige Datierungsmöglichkeiten waren nicht vorhanden. Stratigrafisch dagegen ist die Situation klar, das Grab lag etwa 1,8m unter der heutigen Oberfläche und 40cm unter dem ältesten Laufhorizont, der ungestört über dem Grab verläuft (vgl. Abb. 1). Diese Schicht stammt aus der Zeit der frühdeutschen Stadtgründung und folglich muss das Grab älter sein. Auf Grund der Grabanlage und der Lage des Skelettes kommen die Slawen- und Völkerwanderungszeit in Frage.

Zur Klärung der Datierung wurde ein 20g schwerer Rippenknochen für eine C-14 Analyse verwendet; rechts unten ist das Ergebniss der Isotopenuntersuchung grafisch dargestellt. Aufgetragen sind nach rechts die Kalenderjahre und nach oben die Radiokarbonjahre. Die Bezeichnung AD bedeutet "Anno domini" und bezieht sich auf den christlichen Kalender; BP, "before present", meint die Jahre vor 1950. Die Kurve, die von links oben nach rechts unten verläuft, gibt den Zusammenhang zwischen Gehalt an radioaktiven Kohlenstoff, dem C-14, in organischer Materie und dem Alter an. Aufgrund verschiedener Faktoren ist sie sehr unregelmäßig. Die Kurve an der linken Seite gibt die im Labor gemessene Menge an C-14 im Knochen an. Da mehrfach gemessen wird und die Meßwerte variieren, werden diese als Normalverteilung um einen Mittelwert dargestellt. Die Breite dieser Verteilung und die Schwankungen der Kurve führen zu keiner eindeutigen Altersangabe, sondern müssen interpretiert werden. Eine grafische Darstellung dieser Interpretation ist als Kurve mit grauen und schwarzen Flächen unten im Diagramm wiedergegeben. Demnach ist der Körper mit 95% Wahrscheinlichkeit zwischen den Jahren 971 und 1057 bzw. 1075 und 1153 nach Chr. begraben worden. Die schwarzen Flächen geben engere Zeitfenster an. So fand die Bestattung mit 60% Wahrscheinlichkeit zwischen 987 und 1043 statt und mit 8,3% zwischen 1104 und 1118 n. Chr.

Eine anthropologische Untersuchung des Skelettes ergab ein männliches Geschlecht des Toten, der zum Todeszeitpunkt etwa 50 bis 60 Jahre alt und ca. 1,75 m groß war. Die degenerativen Erscheinungen wie Plattenbrüche und Randzacken an der Wirbelsäule und Randleisten an den großen Gelenken dürften altersgerecht sein. Die Muskelmarken sind insgesamt sehr stark ausgebildet, an beiden Schlüsselbeinen gibt es Bänderausrisse. Wahrscheinlich war der Mann Rechtshänder und hat körperlich schwer gearbeitet. Auch der Zahnverlust ist altersgerecht. Außerdem litt der Mann an einer Entzündung der Mundschleimhaut und einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung, beides war an Knochenveränderungen erkennbar. "Entzündungen der Mundschleimhaut entstehen z. B. durch Erkrankungen der oberen Atemwege und werden begünstigt durch mangelnde Mundhygiene, einer verminderten Immunabwehr - hervorgerufen durch Mangelernährung, oder durch Schleimhautreizungen, beispielsweies durch offene Herdfeuer" (Teßmann, 2015).

Archäologie: Text und Fotos: U. Bauer, 2016
C-14-Datierung: AMS C14-Labor der Friedrich-Alexander-Iniversität Erlangen-Nürnberg
Anthropologie: B. Teßmann, 2015, Anthropologische Bestimmung für das Skelett aus Kyritz, Graf von der Schulenburg-Straße, Fotos mit freundlicher Genehmigung

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Das Grab liegt an der Grabenkante, der Schädel steckt noch weitgehend im Profil. Ein über den unteren Extremitäten liegendes altes Wasserleitungsrohr musste mit dem Bagger entfernt werden, wodurch die Unterschenkelknochen verlagert wurden.

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Der Körper wurde in gestreckter Rückenlage bestattet, die Orientierung ist ziemlich genau Süd-Nord, die Arme liegen neben dem Körper, der Schädel ist nach links gedreht.

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Grafische Darstellung der Altersbestiummung der Probe.
Quelle: AMS C14-Labor der Friedrich-Alexander-Iniversität Erlangen-Nürnberg

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