Neolithisches Beil aus Felsgestein

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Neolithisches Steinbeil, Havelberg, Kreis Stendal, 4000 - 2200 v.u.Z.

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Geschliffene Steinbeile und Äxte sind bei uns die kennzeichnenden Artefakte des Neolithikums. Vorher wurden Steine lediglich durch verschiedene Schlagtechniken zu Werkzeugen gemacht, in einer sich über Millionen Jahre entwickelnden Tradition. Zwar mögen bereits im Mesolithikum geschliffene Steingeräte auftauchen, aber die Interaktion von Jung- und Mittelsteinzeit ist noch nicht so gut verstanden, als dass diese Herstellungstechnik als mesolithisch belegt ist. Nach der Jungsteinzeit, in den Metall- und Plastikzeiten werden diese neuen Materialien zur Werkzeugherstellung verwendet. Selbstverständlich darf die Einteilung "Neolithikum = geschliffener Stein" nicht als Dogma verstanden werden, dies gilt übrigens generell für archäologische Gesetzmäßigkeiten, sondern eher als Richtline, als Hilfestellung zum Verständnis.

Das Beil stammt von einem Fundplatz nahe Havelberg, Kreis Stendal in Sachsen-Anhalt, es wurde auf einer sehr flachen Erhebung in der Havelniederung von der Oberfläche aufgelesen. Solche Lesefunde stellen einen größeren Anteil am Fundaufkommen gerade dieser Steinwerkzeuge dar; in den vergangenen Jahrhunderten wurden Massen von Äxten und Beilen bei der Gartenarbeit, beim Pflügen oder beim Spazierengehen gefunden. Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit wurden sie gerne als Blitzschutz an Häusern und Scheunen angebracht, weil die "Donnerkeile" vermeintlich als steinerne Reste von Blitzeinschlägen vor neuen Blitzen Schutz boten. Später fanden sie Eingang in die unzähligen Privatsammlungen und Museen der Regionen.
Das Objekt ist ein Beil - Äxte haben ein Loch für die Schäftung -, es ist 306 Gramm schwer, bis zu 10cm lang, 5,4cm breit und 3,3cm dick. Beile können längs- und querliegend am Stiel befestigt werden, je nach Art der Werkzeugverwendung. Aufgrund der unsymetrischen Schneide scheint dieses Beil längs geschäftet gewesen zu sein, vermutlich eingepasst in einen durchlochten Holzstiel. Möglicherweise ist die dunklere Färbung des Steins im Mittelfeld ein Resultat dieser Art der Schäftung.
Neolithische Beile wurden aus Feuer- oder Felsgestein hergestellt. Beide Materialien haben ihre Vor- und Nachteile; die Schneiden von Felsgestein werden wesentlich schneller stumpf, dafür lässt sich Felsgestein leichter bearbeiten und damit auch wieder schneller schärfen. In unserer Region bestehen sehr viele Beile aus Amphibolit, sehr wahrscheinlich auch dieses Exemplar. Das Gestein wurde, wenn es zur Produktion von Werkzeugen geeignet war, als Bodenschatz erkannt, abgebaut und über weite Entfernungen verhandelt. So sind beispielsweise etliche untersuchte Steinwerkzeuge aus den Gegenden um Stuttgart, Bonn, Braunschweig, Kassel, aus dem Steigerwald und der Frankenalb aus Amphibolit gefertigt, der aus dem Isergebirge in der Tschechischen Republik nahe Jistebsko stammt (siehe den link unten).

Amphibolite sind Metamorphite aus den Hauptbestandteilen Amphibol oder Hornblende, Feldspat, Quarz und Granat. Je nach Verteilung und Häufigkeit der Bestandteile variieren Farbe und Struktur, häufig sind schwarze, graue und dunkelgrüne Töne. Auf einer Makroaufnahme aus dem Schneidenbereich des Beils lässt sich gut die Feinstruktur des Steins und auch der zonenweise recht glatte Schliff erkennen. Heute werden u.a. Bodenbeläge aus diesem Stein gefertigt.

Beile und Äxte sind vermutlich die universellen Werkzeuge im Neolithikum und unabdingbar zum Bau von Siedlungen, zur Herstellung von Holzwerkzeugen und sicher auch Repräsentationsobjekte. Ein zweites Foto aus dem Bereich der Schneide in nicht ganz so hoher Vergrößerung zeigt uns Riefen, die von der Schneide wegführen und eindeutig Arbeitsspuren sind; daneben eine sehr glatte Zone, vermutlich der Rest der ursprünglichen, geschliffenen Oberfläche. Weite Teile sind als Resultat der Nutzung und vermutlich auch einer jahrtausendelangen Verwitterung im Boden bereits recht narbig.
Dass auch so kleine Werkzeuge durchaus tauglich waren, zeigt die experimentelle Archäologie (siehe die links am Seitenende). Filmisch belegt ist eine Baumfällung mittels Steindechsel - 6 Stunden Arbeit für eine Eiche mit 47cm Durchmesser bzw. 150cm Stammumfang.

Bei den einfachen Beilen und Äxten bestimmt die Funktion weitgehend die Form, die damit zur Datierung kaum geeignet ist; selbstverständlich gibt es auch hier Ausnahmen. Die Beschreibungen der Steinbeile in der Literatur orientieren sich meist an einer detaillierten Morphologie, sind oft verwirrend und kaum hilfreich. Spitz-, dünn- und dicknackige Beile, Rechteckbeile, Beile mit rechteckigem Querschnitt und vieles mehr tauchen in den Fachartikeln auf und wurden früher auch gerne mit einzelnen Kulturgruppen und Zeiten korreliert.
Wenn wir unser Beil so drehen, dass wir auf den Nacken, das der Schneide entgegengesetzte Ende blicken, sehen wir einen gerundeten rechteckigen Querschnitt. Die vier Seitenflächen laufen im Nacken zusammen, was als rundlich spitznackig durchgehen könnte. Von der Seite gesehen baucht die Mitte deutlich aus, das spricht gegen ein Flachbeil. Beide Seiten sind etwa gleich geformt; anders als beim Dechsel oder Querbeil mit einer flachen und gegenüber einer gerundeten Fläche. Die Schneide ist unsymetrisch, an einem Ende rundlich, am anderen Ende fast rechteckig und dieses Ende wird vom inneren Auge intuitiv nach oben gelegt. Beile dieser Art finden wir in unserer Gegend in allen neolithischen Gruppen ab der Trichterbecherkultur, die hier, abgesehen von wenigen bandkeramischen Inseln, den Beginn des Neolithikums anzeigt. Und obwohl die Form recht einfach, vielleicht auch primitiv ist, taucht sie auch in den jungneolithischen Kulturen, die bereits am Übergang zur Kupfer- und Bronzezeit stehen, auf, findet aber meist gegen die elaborierteren Steinäxte kaum Beachtung.



Quellen:
o Joachim Preuß (Hg.), 1998, Das Neolithikum in Mitteleuropa
weiterführende Links:
o zum Amphibolit www.kristallin.de
o zur Herkunft des Amphibolit www.uli-schuessler.de
o zu Beil und Dechselklingen steine-scherben.de
o zum Neolithikum de.wikipedia.org
o youtube - Filme zur Arbeit mit Steinwerkzeugen hier und hier

Text, Fotos und 3D-Modell von Uli Bauer - August 2014, aktualisiert Oktober 2021

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